Neu vs. Alt: Die beiden Thomasdenkmäler Kempens im Vergleich 

Wenn man an Denkmäler Kempens denkt, fällt vielen bestimmt als erstes das fast schon antike Bronzeabbild des Thomas von Kempen auf dem Marienplatz ein. Natur- und detailgetreu zeigt es den Namensgeber von Kempen, zu dessen Ehre es vor mehr als 100 Jahren aufgestellt wurde und wenn wir es heutzutage betrachten, kommt es einem ganz alltäglich vor und man fragt sich nicht großartig, was es zu bedeuten hat, denn diese Art von Denkmälern ist ja schließlich so ziemlich überall zu finden. Ganz anders ist es jedoch mit dem zweiten Denkmal, welches an Thomas von Kempen erinnern soll. Denn dieses besteht aus vier im Park stehenden Stelen, also Säulen, mit verschiedenen Größen.  

Dass zwei für dieselbe Person errichtete Denkmäler so verschieden sein können, finde ich faszinierend, es wirft aber auch einige Frage in mir auf: Wie kann ein so abstrahiertes Denkmal genauso künstlerisch und historisch wertvoll sein wie eines, das ohne große Rätsel und dazu noch in handwerklicher Perfektion die verehrte Person direkt zeigt? Und wie kam es überhaupt dazu, dass man heutzutage immer öfter solche auf den ersten Blick vielleicht etwas merkwürdige Denkmäler findet? 

Aber fangen wir erstmal damit an, wer dieser Thomas von Kempen, eigentlich Thomas a Kempis, überhaupt ist. Geboren wurde Thomas 1379 oder 1380 in Kempen. Sein Geburtshaus stand auf dem Kirchplatz ungefähr dort, wo heute das Haus „An St. Marien 11“ steht. Er schlug schon früh den Weg des Gelehrten ein und besuchte diverse Schulen, wo ihm Latein, Grammatik, Logik, Ethik und Philosophie gelehrt wurden. Schließlich wurde er 1412 zum Priester in Zwolle, was in den heutigen Niederlanden liegt und blieb dort bis zu seinem Lebensende 1471. Sein Lebenswerk umfasst knapp 40 Bücher, in denen er ein von Nächstenliebe geprägtes, demütiges, frommes Leben ohne weltlichen Besitz und Anspruch auf weltliche Anerkennung predigt und durch welche er (ironischer Weise) in aller Welt bekannt wurde.  

Zu Ehren des Mystikers Thomas a Kempis wurden so zwei Denkmäler in Kempen errichtet. Mit dem Denkmal auf dem Kirchplatz der Propsteikirche, wo auch sein Geburtshaus steht, ehrte ihn die Stadt Kempen am 8. Juni 1901. Die vom Aachener Bildhauer Lambert Piedboef gestaltete dreidimensionale Plastik, auch Rundplastik genannt, besteht aus einem Granitsockel, darauf einem Marmorpostament, zu verstehen als ein höherer Sockel, und schließlich der Sitzfigur des Thomas von Kempen. Auf dem Postament befindet sich eine Inschrift mit seinem Namen und darüber das Stadtwappen Kempens. Der Blickfang des Denkmals ist schließlich die realistische Abbildung von Thomas von Kempen, welcher ein gefaltetes Ordensgewand, ein Gelehrtenumhang und eine Kappe trägt. Mit der rechten Hand stützt er sich auf die Sitzbank und mit der Linken hält er auf seinem Schoß ein Buch dem Betrachter entgegen, welches sein Hauptwerk, die ,,Nachfolge Christi”, darstellt, durch welches er berühmt geworden ist. 

Steht man vor dem Denkmal, ist es ein durch den Sockel und die Überdimensionalität Thomas a Kempis’ ein ganzes Stück höher als man selbst. Dadurch löst es eine gewisse Ehrfurcht des Betrachters vor dem durch die Inschrift und die realistische Darstellung direkt zu identifizierenden Thomas aus. Und genau das war auch zu Erschaffung des Denkmals der Zweck: Die Bewohner Kempens sollten an ihn erinnert werden und ihn mit Bewunderung anschauen. 

Heutzutage hat man sich an dieser Art von Denkmälern jedoch schon fast sattgesehen: Sie sind allein in Kempen mehrmals zu finden und bedeuten für die meisten nichts Besonderes mehr. Und genau daran knüpft die neue Plastik an, die erst 2018 in den Grünanlagen am Donkring am Rande der Altstadt für Thomas a Kempis von Edith E. Stefelmanns errichtet wurde. Sie besteht aus vier Stelen, eine kleine aus Granit und drei aus Cortenstahl. Sie sind in einem Quadrat aufgestellt und werden nach hinten hin größer, sodass der höchste Punkt bei fast 4 Metern liegt. Die vier Stelen sollen die vier Bücher seiner auch im anderen Denkmal aufgegriffenen Schrift „Von der Nachfolge Christi“ symbolisieren. Auf der Granitsäule sind bedeutende Zitate von Thomas a Kempis eingraviert, die man bei genauer Betrachtung nachlesen kann. Ein weiterer zentraler Aspekt dieser Plastik ist der inmitten der vier Säulen geschaffene Raum der Ruhe, welcher dem berühmten Thomas-Satz „… in een hoeksken met een boeksken“ („In allem habe ich Ruhe gesucht und nicht gefunden, außer in einem Winkel mit einem Buch“) entspricht.  

Ihr seht, geht man der Bedeutung des neuen Thomasdenkmals etwas nach, scheinen die vier Säulen mitten im Park doch gar nicht so merkwürdig und abstrakt zu sein. Sie sollen einen modernen Zugang zu Thomas a Kempis in seiner Heimatstadt schaffen und insbesondere für die jüngere Generation einen inspirierenden Thomas-Treffpunkt bilden, an dem man sich im Zuge einer modernen Herangehensweise mit dem Gedankengut des Mystikers beschäftigen und der Frage nachgehen kann, was Thomas uns Heutigen noch zu sagen hat, was wie ich finde, ausgezeichnet gelungen ist.  

Wenn man erneut die beiden Denkmäler im Vergleich betrachtet, kann man so erkennen, wie sich die Kunst innerhalb des letzten Jahrhunderts, wenn nicht sogar der letzten Jahrhunderte, zu etwas oft viel Abstrakterem, aber meiner Meinung nach auch viel Bedeutungsträchtigerem entwickelt hat. So ist die Wahrnehmung von Kunst viel individueller geworden, denn während sich das 1901 errichtete Denkmal als ein nicht misszuverstehendes Abbild des zu verehrenden Thomas a Kempis verstand, liegt es heutzutage am Betrachter, was er in der Kunst sieht und was sie mit ihm macht. 

Dies setzt eine aktive und offene Haltung voraus. Um vor allem abstraktere Werke begreifen zu können, müssen Fragen gestellt und Gespräche geführt werden, denn erst in der gemeinsamen Auseinandersetzung mit kulturellen Erzeugnissen erschließt sich oft ein tieferer Sinn.  

Was sind eure Fragen und Anmerkungen zu den beiden Kunstwerken? Hinterlasst uns gerne einen Kommentar! 

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