Die Skulptur „Sankt Martin in Kempen“ am Buttermarkt ist wahrscheinlich vielen Kempenern bereits bekannt. Ich habe mir diese Statue mal genauer angeschaut und ihre Gestaltung, Symbolik, sowie die Verbindung zu ihrem Standort und der Stadt Kempen untersucht.
Obgleich viele von uns diese Statue bereits oft gesehen haben, beschäftigen sich vermutlich die wenigsten genauer mit ihrem Hintergrund – für die meisten Leute existiert sie einfach. Das möchte ich mit meinem Beitrag zu Kempens Kunstpunkten ändern und werde im Folgenden in erster Linie auf gestalterische Mittel der Statue und ihre Beziehung zu Kempen bzw. zur Sankt-Martins-Tradition eingehen.
Dabei finde ich sehr erwähnenswert, wie sich die Skulptur „Sankt Martin in Kempen“ von anderen Skulpturen in Kempen unterscheidet; sie ist in viele kleinere Elemente unterteilt und steht nicht auf einer einzelnen Plinthe. Dadurch wird sie vor allem für Kinder zum Spielen interessant und ist viel zugänglicher für den Betrachter gestaltet. Auch verstecken sich in der Statue mehr Symbole und Hinweise, als man auf den ersten Blick vielleicht denken würde.
Der deutsche Bildhauer Michael Franke hat die Skulptur „Sankt Martin in Kempen“ entworfen und bei der Bronzegießerei Butzon & Becker in Kevelaer als Bronzeguss in Auftrag gegeben. Sie wurde eingeweiht am 06. Dezember 2004 an ihrem Standort am Buttermarkt. Dargestellt sind eine Frau und vier Kinder mit ihren Fackeln und ihrer Martinstüte nach dem Laternenlauf.
Die Statue setzt sich aus fünf Menschen, drei davon mit Laternen in den Händen und der Martinstüte zu Füßen, einem Infoschild, einer weiteren auf dem Boden stehenden Fackel, einem Apfel und einer Walnuss, beide auf dem Boden liegend, zusammen. Sie steht größtenteils auf einer kleinen Erhöhung, nur die Frau steht auf Höhe des Marktplatzes.
Was bei näherer Betrachtung schnell auffällt: die abgebildeten Personen sind sehr einheitlich gestaltet, sie haben keine differenzierten Gesichtszüge und ihre Kleidung ist sehr simpel gehalten. Eine möglichst lebensechte Darstellung schien also nicht das Ziel zu sein.
Jedoch finden sich in den Fackeln der Kinder Wiederspiegelungen der Stadt Kempen und der Martinstradition. So ist eine Laterne in Form eines Fachwerkhauses gestaltet, von denen man viele in Kempens Altstadt wiederfinden kann und die teilweise sogar unter Denkmalschutz stehen. Eine weitere Laterne stellt eine Mühle dar, was vermutlich auf die Hessenmühle auf der Südwestseite der Stadt hinweist. Sie wurde im Jahre 1481 erbaut und ist somit fester Teil des Kempener Stadtbildes. Die vierseitige Fackel weist währenddessen mehrere Andeutungen auf. So stellt die Gans wahrscheinlich die Martinsgans dar, ein traditionelles Festessen zur Feier des Martinstages. Die Darstellung des Sankt Martin auf seinem Ross ist wohl selbsterklärend, dreht sich die ganze Statue schließlich um dieses Ereignis. Eine Seite beinhaltet drei religiöse Symbole, nämlich das Kreuz, den Sichelmond und den Davidstern, und vor allem letzteres könnte eine Anspielung auf die Reichspogromnacht sein, die in der Nacht vom 09. auf den 10. November 1938 stattfand, also in der Nacht vor Sankt Martin, welches seit über 130 Jahren immer am 10. November stattfindet. Die vierte Seite der Fackel zeigt einen Fuchs und einen Kranich, wie die Inschrift „Fuchs + Kranich Propsteikirche“ uns verrät. Diese Symboltiere finden sich auch in benannter Kirche als Holzschnitzereien an den Chorstühlen der Kirche wieder. Der Kranich gilt aber auch als Vogel des Glücks und ihm werden unter anderem Langlebigkeit, Wärme und Klugheit zugesprochen.
Der Standort der Skulptur scheint auch keineswegs willkürlich gewählt worden zu sein. Sie steht auf dem Buttermarkt und vor dem Rathaus, beides wichtige Orte für den jährlichen Martinsumzug. Im Rathaus wird nach dem Zug den Kindern ihre „Blo-es“ – so nennen Kempener die mit Obst und Süßigkeiten gefüllte Martinstüte – ausgeteilt, und der Buttermarkt wird Schauplatz für die Nachstellung der Mantelteilung, zusammen mit dem großen Martinsfeuer. Der Marktplatz gilt auch als Mittelpunkt des Stadtgeschehens und verkörpert damit einen Ort der Einheit und Zusammenkunft. Dadurch ist es auch die beste Plattform, um den Martinsgedanken zu teilen. Die Skulptur spiegelt also das jährliche Geschehen des Martinsfestes an diesem Ort wider, und erweckt beinahe den Eindruck, als sei ein Teil dieser Szene eingefroren worden.
Was die Zielgruppe dieser Skulptur angeht, ist sie meiner Meinung nach für jeden gestaltet, der Freude am Fest des Sankt Martin findet, für jeden, der jährlich im Zug mitläuft und sich immer wieder an den vielen bunten Fackeln und der Musik erfreuen lässt. Jedoch lässt sich auch beobachten, dass vor allem kleine Kinder ihren Spaß daran zu haben scheinen, auf den Figuren herumzuklettern und sie sich anzugucken.
Was die Skulptur meiner Meinung nach ästhetisch interessant macht, ist, wie bereits erwähnt, die Zusammensetzung verschiedener einzelner Teile zu einem großen Ganzen. Die gesamte Szene wirkt offener und grenzt den Betrachter nicht vom Geschehen aus, sondern macht ihn zu einem Teil des Ganzen. Auch finde ich die Einarbeitung der Symbolik in die Laternen sehr geschickt. Bei normaler Betrachtung mag es einem nicht auffallen, doch wenn man genauer hinschaut, merkt man, dass mehr hinter den Designs steckt, als es einem scheint.
Wann sollte man die Skulptur „Sankt Martin in Kempen“ also am besten wahrnehmen? Hier sind zwei Optionen: Wenn man einen genaueren Blick auf die Statue werfen möchte, sollte man sich Zeit nehmen, an einem sonnigen Tag dorthin zu gehen und sie sich anzuschauen. Doch ist es am besten am Martinstag, im Schein des Martinsfeuers, mit Laterne und Blo-es in der Hand und umgeben von Mitlaufenden des Laternenlaufs.
Luca Peter, Q1