Handschuhe, Sturmhaube und Sprühdosen in den Rucksack geworfen und ab auf die Straße. Während Mond und Dunkelheit den meisten Leuten die Nacht ankündigen, geht es für einige von uns erst richtig los.
Oft unter Pseudonymen oder illegal angefertigt bilden die sogenannten Graffitis (ital. „Graffito“ ―> „Schraffierung“) einen Teil der Streetart, der sich über die ganze Welt verbreitet hat. Ich bin mir fast sicher, auch du bist schon mindestens einmal über eins der bunten,kunstvoll gesprühten Bilder/ Schriftzüge gestolpert.
Aber wohin man auch blickt, die bunten Sprays hinterlassen eine ganz schöne Zwiegespaltenheit unserer Gesellschaft. „Ist es Kunst oder doch Vandalismus?“,fragen sich insbesondere die älteren Generationen.
Fragen über Fragen, die Meinungen teilen sich. Und auch wenn die Sprayer, oder lieb „Graffiti Künstler“, noch lange nicht jeden von ihrer Kunstart überzeugen konnten, prägen dessen Werke zunehmend unsere Städte und Straßen. Auch in unsere Kleinstadt Kempen sind ein paar der bunten Kunstwerke eingezogen. Nach genauerem Betrachten konnten besonders die unterschiedlichen Spraytechniken und deren Bedeutung für die Kunstszene in Kempen mein Interesse wecken. Auch wenn Kempen noch längst nicht jede Schriftart,Technik etc. präsentieren kann; ein Paar ausdrucksstarke Werke gibt es dennoch.
„Alles was verboten ist macht Spaß“, den Spruch kennst du sicherlich von Familie und Freunden. Und besonders dieser Spruch könnte in kaum einer Kunstszene besser zutreffen, als in der des Graffitis.
Die Motivation hinter den meist nächtlichen Kunstausflügen ist eine Mischung aus dem Reiz am Verbotenen und dem eigenen, künstlerischen Ausdruck in der Öffentlichkeit. Auch das Streben nach Gruppenzugehörigkeit in einer Crew, nach Anerkennung oder der kreativen Mitgestaltung der Umwelt spielen eine Rolle für die Motivation am Graffiti.
Das moderne Graffiti, so wie du es kennst, ist somit eine der Arten von heutigen Jugendkulturen und ist eng verbunden mit der Hip-Hop-Kultur. Gemeinsam mit Rap, DJ -ing und Breakdance, gehört das Graffiti zu einer Art „kultureller Vierfaltigkeit”. Ein Gesamtkonzept für die Jugend. Einzigartig vor allem deshalb, weil es auf eine bislang ungekannte Art und Weise und über lange Zeiten hinweg in der Lage war, unterschiedliche Künste miteinander zu vereinen. Diese Entwicklung führt bis ins alte Ägypten zurück. Schon in diesen Zeiten verewigten sich Unbekannte mit Kratzwerkzeugen oder kleinen „Gemälden” an den Wänden von Gebäuden. Die Assoziation des bunten und aufwendigen Graffitis , des sogenannten Stylewritings, hat seine Wurzeln allerdings in Amerika. Mit dem Beginn der 1980er Jahre schwappt der Trend aus den US-Ostküstenstädten aufs restliche Land, auf Europa und die gesamte Welt.
Das bereits erwähnte Stylewriting ist, in der Welt der Graffiti Kunst, die am weitesten verbreitete Form, für die Gestaltung eines Graffitis. Diese Schriftart besteht aus Zahlen und Buchstaben und stellt somit ein grundlegendes Element dar. Die Stilarten, die sich hierbei unterscheiden lassen, nennen sich beispielsweise Tag, Bubble, Throw-Up oder Blockbuster.
Das Tag-Graffiti ist eine der ursprünglichen Formen des Writings und wird mit Sprühdosen und Markern angefertigt. Zudem bezeichnet es die kalligraphische Hand- und Unterschrift des individuellen Graffiti-Künstlers. Das Throw-Up lehnt sich an die Tags an, ist aber im Vergleich nur noch lässig und schnell ausgemalt und wird nicht mehr im genausten mit Farbe gefüllt.
Einem Blockbuster-Graffiti wird immer die Grundform eines Rechtecks vorausgesetzt und soll maximal lesbar sein. Zudem werden die einzelnen Buchstaben einfarbig und flächendeckend ausgearbeitet.
Selbstverständlich sind diese Schreibstile nur ein winziger Bruchteil der vielfältigen Graffiti-Werke, welche dauerhaft um Anerkennung und Ausdruck in der Gesellschaft kämpfen.
Trotz des Wunsches nach Anerkennung ist es den meisten Graffiti Künstlern bestimmt anonym zu arbeiten. Zudem ist es den Passanten nicht immer möglich das Graffiti zu lesen. Sie werden somit oftmals vor die schwierige Aufgabe gestellt, die unterschiedlichen Schriften korrekt zu lesen, sie zu deuten oder richtig zu verstehen. Zur Veranschaulichung der Graffiti Kunst in Kempen ist der Sport- & Skaterplatz am Aqua Sol eine geeignete Quelle. Die gesamten Skaterampen, samt dem Zug („Gleis 3”) konnten mir für diesen Artikel weiterhelfen, denn allesamt sind sie besprüht und bunt verziert. Hier wird deutlich: Graffiti hat eine ganz eigene Sprache, die von der Szene genutzt wird. Die Graffitis können als eine Form des Widerstandes angesehen werden. Graffitis sollen also das Bild, dass die Menschen von einer Stadt haben und konsumieren, verändern. Die Graffitis am Kempener Sport- und Skaterplatz, bestehend aus Initialen, Simple Styles und Throw Ups, können mehrdeutig, beispielsweise als Markierung des Reviers oder als Spaßsprays gedeutet werden. Zu einhundert Prozent festlegen kann man den Hintergrund hinter den einzelnen Werken jedoch nicht;dessen Interpretation ist dir selbst völlig freigestellt.
So oder so; rechtlich gesehen ist das Sprayen von Graffiti zumindest immer Sachbeschädigung.
Eins steht jedoch fest: Das Graffiti reiht sich in unsere Kunstwelt mit ein, denn wie die meisten Werke, überbringt es dem Betrachter eine Nachricht. Ich hoffe auch du konntest das Graffiti neu für dich entdecken und vielleicht konnte ich dich ja dazu ermutigen, unserer Kunstszene in Kempen zukünftig beizutragen.
Hannah Vogler, Q1