Überall stehen sie: Graue Stromkästen. Oft gehen wir an ihnen vorbei ohne sie zu beachten. Vielleicht ist euch aber aufgefallen, dass einige Stromkästen in Kempen und Umgebung bunt bemalt sind. Als wir auf der Suche nach Kempener Kunst in der Stadt unterwegs waren, sind mir diese ins Auge gefallen. Aus meiner Sicht wirkt die Umgebung durch diese bunte Malerei fröhlicher und die vielen Einzelkunstwerke stehen, wenn man es als Gesamtkunstwerk betrachtet, für Vielfalt. Im Folgenden erfahrt ihr mehr über die Organisation des Projekts unter dem Motto ,,Energie trifft Kunst‘‘, die besondere Gestaltung und deren Wirkung, aber auch über die Perspektive eines Künstlers, der einen Stromkasten und eine Gasstation bemalt hat.
Eindrucksvoll erscheinen die gestalterischen Mittel der Malerei auf den quaderförmigen Stromkästen aus Stahl. Wie ihr auf den Fotos erkennen könnt, unterscheiden sich die einzelnen Werke durch die Gestaltungsweisen bezüglich Farbe, Pinselstrich, Abstraktion etc. und durch die Motive. Zum Beispiel zeichnet sich der detailliert gemalte Efeu eines Stromkasten durch Naturalismus aus, während der Hintergrund einfarbig ist und stimmig zur hintergründigen Wand wirkt. Kontrastierend dazu fällt der Stromkasten mit dem gemalten Ast durch die abstrakte Hintergrundfarbe türkis auf. Fokussiert wurde hier die Verwendung strahlender kräftiger Farben, während der Strich im Vergleich zum Efeu gröber gewählt ist. Während diese beiden Stromkästen Pflanzen als einen ästhetischen Bestandteil unserer alltäglichen Umgebung zeigen, ist auf dem Stromkasten in St. Tönis eine abstrakte Landschaft zu erkennen.
Zudem unterscheiden sich die Kunstwerke in der Beziehung und Ähnlichkeit zur Umgebung, was ebenfalls die Wahrnehmung des Betrachters beeinflusst. Zum Beispiel wirkt der Stromkasten mit dem Efeu, der nicht direkt ins Auge fällt, gänzlich anders als der auffälligere Stromkasten mit der abstrakten Landschaft. Aufgrund dessen wirkt jeder individuelle Stromkasten anders und bei der Wirkung des Kunstwerks spielt die Wahrnehmung des Betrachter, aber auch die Witterung eine große Rolle.
Dem Betrachter wird Malerei draußen präsentiert und die Umgebung wirkt dadurch fröhlicher, einzigartiger und kultureller. Dass Stromkästen im Normalfall weniger Beachtung geschenkt wird, zeigt die Freiheit und Chance der Kunst überall zu gestalten. Durch den öffentlichen Ort, an denen die Stromkästen stehen, richtet sich das Kunstwerk an alle vorbeigehenden Menschen und somit an die gesamte Breite der Gesellschaft.
Dem entgegen steht allerdings Vandalismus, von dem Malerei im Freien oft betroffen ist. Auf dem türkisen Stromkasten ist schwarze Schrift zu erkennen und durch illegalen Vandalismus wird die Originalität eines solchen Kunstwerks respektlos gegenüber dem Künstler zerstört. Glücklicherweise ist mir beim weiteren Fotografieren kein weiterer Vandalismus aufgefallen.
Insgesamt zeigt das Projekt die Individualität der einzelnen Künstler. So wurden von den Stadtwerken mehre Altersklassen und unterschiedlich arbeitende Künstler beauftragt. Von unserer Schule verewigte sich z.B. die Schülerin Nele Laurenzen (Q2) und auch Schüler anderer Schulen durften Stromkästen bemalen. Zudem konnte der Kempener Künstler WiJo Heinen und eine Grafikfirma ihr Kunstwerk schaffen, was unterstreicht, dass jeder frei und individuell in jeder Altersklasse künstlerisch tätig sein kann. So bezweckten die Stadtwerke mit diesem neuen Projekt eine künstlerische Aufwertung Kempens, was die gesamte Kunstszene Kempens erweitert und somit auch als einzigartiges Merkmal Kempens gesehen werden kann.
Nach einer allgemeinen Beschreibung folgt die Sichtweise des in Kempen bekannten Künstlers Wilhelm Josef Heinen auf das Projekt, den ich in seinem Atelier besuchen durfte. Sein Künstlername ist WiJo und der auch in Kempen geborene Künstler verbindet mit Kempen viel Heimatgefühl. Neben seinem früheren Beruf des Gärtners bzw. des Floristen widmete WiJo seine Freizeit der Malerei, für die er im Ruhestand noch mehr Zeit fand. Als Gründer des Kunstzentrums Ellenstraße und Mitgründer des Kempener Kunstkreises stellt Heinen seine Malerei sogar international aus. Sein Stil zeichnet sich besonders durch Harmonie aller Farben, Vielfalt der Motive und Abstraktion aus, was in das freie Zeitalter der Moderne passt und auch auf dem Stromkasten bzw. der Gasstation deutlich wird.
An der abstrakten Landschaftsszene in leuchtenden Herbstfarben auf dem Stromkasten der Tönisberger Straße (103-105), die ihr auch auf dem Foto sehen könnt, malte der Künstler in etwa zwanzig Stunden mit Ölfarbe. ,,Ich wollte mit den Farben bewusst einen Gegensatz zu dem tristen Kasten schaffen’’, so der Künstler. Für sein zweites Werk bei der größeren Gasstation benötigte WiJo mit Hilfe einer Praktikantin drei Wochen. Nachdem die Stadt das Metall vorgrundiert hatte und Heinen die Maße genommen hatte, konnte er mit den Schichten der Ölfarbe beginnen, die er am Ende mit Lack vor der Witterung schützte. Hierbei orientiert sich Heinen an dem Künstler Monet, was in einer bunten Mischung aus Monets Werken, Farben und Motiven auf insgesamt vier Seiten der Gasstation mündet. Zu erkennen sind eine Brücke, ein Seerosenteich und eine farbenprächtige Landschaft. Zu der Farbkraft erzählt Heinen: ,,Eine solche Intensität und Leuchtkraft besitzen nur Ölfarben’’. Mit dieser Gestaltung wird bewusst Raum für individuelle Interpretation gelassen, sodass Betrachter sich in dem oft stressigen Alltag einen Moment Zeit lassen sollten um das Kunstwerk auf sich wirken zu lassen. An folgendem Zitat wird Heinens Stil deutlich ,,Wenn man sofort erkennt was es ist, ist es keine Kunst, man muss sich erst hineindenken.’’ Mit der Erfahrung dies im Freien umzusetzen konnte Heinen seinen Horizont weiter erweitern und schon bei vorbeigehenden Personen stieß das Projekt auf positive Resonanz.
Aus meiner Sicht sind diese bemalten Stromkästen mit ihrer Farbenfroheit als Gesamtkunstwerk eine Bereicherung Kempener Kunst. Um diese Aussagekraft der Malerei zu zeigen, habe ich mich bewusst für eine fotographische Präsentation entschieden, um die Wirklichkeit der einzelnen Kunstwerke zu veranschaulichen.
Abschließend lässt deshalb sich festhalten, dass dieses Projekt mit seinen verschiedenen Künstlern wie WiJo Heinen die Vielfalt und Chance der Kunst für eine Umgebung zeigt. Ein solches Projekt ist Vorbild für neue Kunst in Städten wie Kempen, die eine Umgebung ästhetisch macht und alltägliche Orte außerhalb des Museums in die Kulturszene einer Stadt einbezieht. Vielleicht fällt euch durch diesen Artikel in nächster Zeit ein weiterer bemalter Stromkasten auf, den ihr bis jetzt noch nicht kanntet.
Quellen: Interview mit Wilhelm Josef Heinen und stadtwerke-kempen.de
Katharina Schmitt, Q1